Geschichten zu Robin Hood

Unsere erste Begegnung

Ich sitze an einem Bettchen. Das Fenster ist offen und draußen funkeln die Sterne wie kleine Diamanten.
Hier in diesem Zimmer herrscht gedämpftes Licht und ein kleines Mädchengesicht schaut mich erwartungsvoll an. Dieses Gesicht gehört meiner kleinen vierjährigen Tochter Menley. Schließlich fragt sie: "Mama, kannst du mir mal erzählen, wie du Papa kennen gelernt hast?" "Ach, weißt du", meine ich, "das war eine sehr romantische Geschichte. Sie fängt mit meinem Freund William Gamwell an. Dieser hatte den Verwalter seines Vaters erschlagen, weil der Verwalter böse Dinge zusammen mit dem Sheriff von Nottingham trieb. Das war damals eine schlimme Zeit, denn die Normannen waren dabei, England zu erobern und die Bevölkerung zu knechten. Mir konnte das ja nichts anhaben, weil ich eine Adelstochter war, doch bei dem Elend, das überall herrschte, hatte ich das Gefühl, das mir das Herz vor Trauer zerspringen würde.
Eines Tages bekam ich die Nachricht, dass ich Gattin des Sheriffs von Nottingham werden sollte. Ich war so verzweifelt, dass ich mich an William Gamwell - er war ein Freund aus meiner Kindheit - wandte.
Doch nun war er ein Geächteter, da er ja den Verwalter seines Vaters erschlagen hatte und konnte auch nicht viel ausrichten. Der Tag der Hochzeit rückte näher. Und schließlich war er da.
Ein paar Zofen des Sheriffs holten mich und meine Familie in einer Kutsche ab. Die Zofen hatten Mitleid mit mir und fragten auf dem Weg zur Kirche immer wieder: "Können wir etwas für Sie tun, Lady Marian?" Ich antwortete darauf immer wieder: "Nein, vielen Dank."
Schließlich spürte ich, wie mir Tränen wie Perlen die Wange hinunter rannen.
Nach einer Weile waren wir an der Kirche angekommen. Die Zofen führten mich und meine Mutter in ein Häuschen neben der Kirche und mein Vater wurde zu den anderen Gästen - die schon vorher eingetroffen waren - gebracht.
Die Zofen legten mir das weiße, mit Perlen und Blüten bestickte Kleid an und ließen den Schleier über mein Haupt gleiten. Mein Herz wurde mir immer schwerer und ich spürte einen Kloß im Hals. ,Warum kann mir denn keiner helfen?`, fragte ich mich. ,Wieso muss der Sheriff sich ausgerechnet für mich entscheiden?´
Und dann kam das, wovor ich mich am meisten gefürchtet hatte, ich wurde am Arm meines Vaters zum Altar geführt. Ich nahm meine Umgebung gar nicht mehr wahr. Doch dann sah ich den Sheriff am Altar höhnisch mir zugrinsen.
Er sah aus wie eine Raubkatze, die sich jeden Moment auf ihre Beute stürzt. Wut stieg in mir auf. ,Ich werde mich wehren´, schoss es mir durch den Kopf. Ich war am Altar angekommen und der Pfarrer begann zu predigen. Auf einmal wurde es mucksmäuschenstill. Ich hörte Schritte hinter mir. Ich dreht mich hoffnungsvoll um. Und da stand ein gutaussehender, attraktiver, in grün und braun gekleideter Mann. Ich rannte auf ihn zu, obwohl ich gar nicht wusste, wer er war. ,Nur weg`, ging es mir durch den Kopf. Der Fremde blies in sein Horn und wir beide rannten gemeinsam hinaus. Die Zuschauer konnten ihren Augen wohl nicht trauen, denn keiner regte sich. Wir beide stiegen auf des Fremden Pferd und galoppierten in die Ferne.
Später erfuhr ich, dass William Robin Hood Bescheid gegeben hatte und Robin dann zu mir gekommen war, um mich zu retten."
Ich schaue auf das kleine Bettchen, in dem nun ein zartes, schlafendes Mädchen liegt. ,Ich hätte mich etwas kürzer fassen sollen!` schießt es mir durch den Kopf. Ich lösche die Kerzen, schließe leise die Tür und schleiche hinunter. Dort sitzt mein edler Gatte und lächelt mich an. Ich lächele zurück.

Marie

 

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