Was
soll das bedeuten?
Die Lay, die Lore, die vom Felsen springt, warum? Wie war jetzt Geschichte von der Frau und keiner andern? Auf der Vorderbühne steht der Dom, in den wird sie gezwängt, in der Pause wird umgebaut, dann steht der Felsen auf der Vorderbühne, von dem springt sie, das ist das Ende vom Lied, und der Anfang? Ist in Bacharach und fängt so an, wie alle Lieder anfangen, die so anfangen, daß der Mann da ist, und so weitergehn, daß er weg ist und die Frau wartet, daß er wiederkommt... Uns fällt hier die Theatergeschichte aus dem Jahr 1987 von Ulla Berkéwitz ein. Über die Lay, die Lore, die Lure, die Hure, "singen sie am Rhein". Die sich rot, weiß und schwarz anstreicht, die Männer unter ihre Röcke zieht, lacht und lacht, die Röcke unten zuzieht, bis die Männer ersticken und das Lachen weitergeht. Das hört
der Bischof von Worms, da kriegt der Interesse und läßt sie
sich kommen. Aber weil die Lay Röcke wie die Maria trägt, sieht
der Bischof nur auf die Röcke. Wer die Loreley nur vom Rheinufer aus kennt oder von einem Rhein-Rundfahrtendampfer, ahnt kaum, daß die Strecke von St. Goarshausen auf den 120 Meter hohen Felsen zunächst zu einem Plateau führt. Etwa nach der halben Wegstrecke zweigt links ein Weinllehrpfad ab. Natürlich heißt er "Loreley". Genauso wie weiter vorrn der Campingplatz oder rechts das Jugendheim. 1979 dichtet Peter Rühmkorf: Ich reise
mit Gedichten umher, Dann sind wir da. Werden empfangen von Tiefgaragencharme. Eine Schranke geht hoch. Auf dem Asphalt lauter Kippen, Dosen und Eispapier im Gebüsch. Warum ist es auf der Loreley so schön? Ist es überhaupt schön? Sollen wir nicht lieber gehen? Schon 1932 spottete Erich Kästner:
wo früher
Schiffer mit verdrehten Hälsen, Wir wandeln
uns. Die Schiffer inbegriffen. Inzwischen hat ein nächster Bus mehrere Dutzend Menschen ausgespuckt. Die Männer tragen die Handtaschen ihrer Frauen, die Frauen tragen weiße Söckchen. Und weil es zu tröpfeln beginnt ("Keine Angst", beschwichtigt der Busfahrer, der um die gute Laune bangt, "der Regen ist ganz warm!"), kommen die Frisuren unter eine Plastikhaube. Schnurstracks macht sich die Truppe auf zum Aussichtspunkt. Aha. Anschließend gibt es den gebuchten Kaffee und Kuchen. Victor Auburtin, der Weimarer Feuilletonist, hätte seine Freude gehabt und Kniebeugen empfohlen: Auf dem Gipfel des Loreleyfelsens ist ein Turnplatz eingerichtet worden; mit Reck und Barren, und mit einer Halle für den Fall schlechter Witterung. Auch an Wirtschaftsgebäuden, Restaurants, Bedürfnisanstalten und so weiter ist kein Mangel zur Veranstaltung der nötigen Festlichkeit... Die deutsche Turnerschaft hat durch die Vermittlung des Turngaues Südnassau den Felsen gekauft (was man heutzutage nicht alles kaufen kann!), und die Anlage ist sehr stilvoll geraten. Zur Lore
(= summen/rauschen) und Ley (= Felsen) ist alles gesagt. Bald fünfzigmal
wurde allein Heines Gedicht vertont. Ungezählt blieben die weinseligen
Lieder, Klavierstücke, Kantaten, Walzer, Ballette, Ouvertüren
und sogar auch Opern (rund 50 an der Zahl - unter den Komponisten Schumann
und Liszt, Johann Strauß Vater und George Gershwin), von denen sich
allerdings kaum eine behauptet hat. Das fand Wolfgang Minaty heraus, der
1988 eine Anthologie von Gedichten, Prosa, Bildern zusammengestellt hat. Ich weiß
nicht, warum miserabel Das Thermometer
sinket, Dort oben
hat sich placiret Mit gold'nem
Kamm sich frisirend Den Schiffer
im Liliputkahne Enfin, das
Ende der Fabel: Auf unserer Fahrt zurück nach St. Goarshausen machen wir einen Abstecher nach Patersberg, einem verschlafenen Fachwerkdorf am Ende einer serpentinenreichen Straße. Kleine, bescheidene Häuser, eine Wehrkirche aus dem 12. Jahrhundert, in der Dorfmitte erinnert eine Tafel daran dass hier 1556 ein Ziehbrunnen gegraben wurde, vor dem eine alte Linde stand, unter der "die Väter des Dorfes" zusammenkamen. Patersberg wirbt mit seinem "Dreiburgenblick", wohl weil sonst kein Mensch herkäme. Dabei ist die Aussicht am Dorfrand hoch über dem Rhein eine der beeindruckendsten weit und breit: rechts Burg Katz, vis-à-vis die Ruine Rheinfels, links die Burg Maus mit dem Loreleyfelsen im Hintergrund. Der geographische Abstand zum dortigen Rummel tut gut und macht es möglich, Rose Ausländer in Ruhe zuzuhören: Unter dem
Rhein Fische Ein hellhöriger
Angler schenkt es
Aus: Soden, Kristine von: Der Rhein. Eine literarische Reise von Mainz bis Köln, Stuttgart 2000, S. 117-123. |
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