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Mord
im Hemingway-Internat -VI-
Mit
dem Universalschlüssel bewaffnet machte sich Parker auf, jeden einzelnen
Raum des Internats zu untersuchen.
Als Parker am Abend die Tür zu seinem Zimmer aufschloss, entdeckte
er auf dem Fußboden einen Brief, den ihm wohl jemand unter der Tür
durchgeschoben hatte. Er war von Jeremiah O´Connor. Parker öffnete
ihn und las:
"Sie
haben ja gesagt, ich könnte mich an Sie wenden. Ich weiß vielleicht
doch noch etwas sehr Wichtiges. Bitte kommen sie morgen früh auf
mein Zimmer. Dritte Etage, zweite Tür von links. Jeremiah O'Connor"
Parker machte sich sofort auf, O´Connor zu besuchen. Aber seine
Tür war verschlossen. Auch Dexter wusste nicht, wohin er nach der
Konferenz gegangen war. So beschloss Parker zu Bett zu gehen. Bevor er
einschlief, dachte er noch einmal über das nach, was er bei seinen
Untersuchungen entdeckt hatte. In
einem der Chemieräume hatte er in einem Spind ein Karnevalskostüm
entdeckt, dass ihm verdächtig vorgekommen war. Außerdem hatte
er dort ein Perücke gefunden, schwarzes kurzes Haar und ein Stück
seltsamer Gummihaut mit Stoppeln, die sich bei näherer Betrachtung
als so etwas wie ein Drei-Tage-Bart herausstellte. Ganz hinten im Spind
stand ein kleines Fläschchen mit einer Flüssigkeit. Parker hatte
ein paar Tropfen der Flüssigkeit in ein anderes Gefäß
umgefüllt und das Fläschchen zurückgestellt. Morgen würde
McMeyer die Flüssigkeit auf ihre Inhaltsstoffe hin untersuchen können.
Am nächsten
Morgen wurde Parker nicht wie gewöhnlich durch seinen Wecker geweckt,
sondern durch ein lautes Klopfen an der Tür. Er hörte Dexters
Stimme rufen: "Eugene, komm schnell! Es ist etwas Schreckliches geschehen!"
Parker zog sich schnell an und lief mit Dexter nach draußen. An
der Hinterseite des Gebäudes lag ein Mann. Es war O'Connor. Sein
Hals hatte eine unnatürliche Haltung, Parker dachte sofort an einen
Genickbruch. Dann sah er hoch. Ein Fenster im 3. Stock war zerstört
worden und neben O'Connor lagen Scherben. Parker prüfte O'Connors
Puls und musste feststellen, dass er tot war. Daraufhin rief Parker McMeyer
an. Dieser versicherte ihm, sofort zu kommen.
Als McMeyer angekommen war und die Leiche inspiziert hatte, bestätigte
er Parker, dass der Lehrer an einem Genickbruch gestorben war. Das war
aber auch nicht weiter verwunderlich, denn O'Connor war etwa 20 Meter
tief gefallen, so sagte es Dexter, der noch ganz geschockt war. Die anderen
Lehrer versuchten die Schüler, die etwas von dem Zwischenfall mitbekommen
hatten, zurückzuhalten. Parker, McMeyer und Dexter gingen in der
Zwischenzeit zu O'Connors Zimmer. Dort sah es furchtbar aus. Dexter sagte:
"Er war nie sehr ordentlich, aber so schlimm sah es hier noch nie
aus!" Parker kam der Verdacht, dass hier jemand etwas gesucht haben
könnte. Er und die anderen Beiden überlegten, wie der Unfall
wohl geschehen konnte. Als die drei Männer auf den Nachttisch sahen,
standen dort eine leere Whiskeyflasche und ein halbvolles Glas Wasser.
Für Dexter war die Sache klar: "Dann war Jeremiah wohl doch
so betrübt, dass er sich betrunken hatte. Er ist sicherlich im Rausch
aus dem Fenster gefallen, meinst du nicht, Eugene? Du hast doch gesagt,
an O'Connors Körper gibt es keine Spuren von Gewalteinwirkung. Und
wenn ihn jemand aus dem Fenster zu stoßen versucht hätte, hätte
er sich doch sicherlich gewehrt." Aber Parker traute der Sache nicht.
Er sah nämlich, dass die Flasche zugedreht war. Er dachte laut nach:
"Komisch. Wenn man sich betrinkt, dann dreht man seine Flasche doch
nicht zu, nachdem man sie vollkommen leergetrunken hat. Und was hat das
Wasserglas dort zu suchen?" Parker dachte noch einen Moment nach,
dann wandte er sich an McMeyer: "Könntest du die Leiche bitte
obduzieren und feststellen, ob sich irgendwelche Stoffe im Blut befinden,
die dort nicht sein sollten. Bitte überprüfe auch den Inhalt
des Wasserglases. Ich glaube nämlich nicht, dass es sich hier um
einen Unfall oder um einen Selbstmord handelt! Und noch etwas - überprüfe
bitte auch den Inhalt dieses keines Gefäßes hier." Damit
reichte er McMeyer das Gefäß mit der Flüssigkeit aus dem
Fläschchen, das er gefunden hatte.
Nachdem McMeyer gefahren war und die Leiche abtransportiert worden war,
ging Parker zum Hausmeister. Er hatte sich nämlich an die Tropfen
erinnert, die Potter nach dem letzten Treffen genommen hatte. Er trat
ein und fand den Hausmeister vor. Als dieser ihn bemerkte, machte er schnell
einen Ordner zu, der vor ihm lag, und schob ihn in eine Schublade. Er
fragte schlecht gelaunt wie immer: "Was wollen Sie denn schon wieder?
Sie haben doch jetzt noch einen Mordfall, den sie aufzuklären haben,
also kümmern Sie sich um wichtige Sachen! Ich will jetzt alleine
sein!" Parker ließ sich nicht beirren und fragte: "Was
ist das für ein Ordner gewesen?" Potter wurde noch wütender:
"Das geht Sie einen feuchten Kehricht an, verschwinden Sie endlich!"
Parker erwiderte ruhig: "Wissen Sie eigentlich, dass Sie in ziemlichen
Schwierigkeiten stecken? Warum haben Sie O'Connor umgebracht? Wusste er
zu viel? Hat er vielleicht herausgefunden, dass Sie es waren, der damals
Laura Fletcher in die Nervenklinik gebracht hat und Elaine Winter erst
vergewaltigt und dann ermordet hat? Sie sind der Drache, vor dem Laura
Fletcher schreckliche Angst hat. Geben Sie das endlich zu!" Potter
war ebenso überrascht wie geschockt und er stotterte: "Aber...aber...nein,
das ist nicht wahr, ich...ich könnte niemals einen Menschen töten,
glauben Sie mir. Das ist nicht wahr. Wirklich nicht!" Parker sagte
daraufhin: "Dann zeigen Sie mir den Ordner!" Potter holte ganz
verstört den Ordner aus der Schublade. Auf diesem Ordner stand: Fotografien,
1988, Kunst-Theaterkurs, Anderson und Walker. In diesem Ordner klebten
einige Fotografien von spärlich bekleideten Mädchen. Einige
davon erkannte Parker wieder, darunter auch Elaine Winter und Laura Fletcher.
Nun hatte er genug gesehen. Er wollte nicht mehr fragen, woher Potter
den Ordner hatte. Er tat ihm irgendwie leid. Deshalb legte er den Ordner
zu Potter zurück und verließ den Raum. Hinter sich hörte
er noch ein leises Schluchzen von Potter.
Nach dem Gespräch mit Potter ging Parker auf sein Zimmer, um nachzudenken.
Er glaubte von Anfang an nicht, dass Potter der Täter war und der
Hinweis von Dr. Brown hatte ihm den entscheidenden Hinweis gegeben, aber
er musste ganz sicher sein. Die Reaktion auf seine Anschuldigungen hatten
ihn überzeugt. Er drehte und wendete die Fakten in seinem Kopf und
während er überlegte, klopfte eine Schülerin an seine Tür
und rief: "Inspektor, ein Anruf für Sie von einem gewissen McMeyer.
Parker machte sich sofort auf den Weg in das Büro des Direktors,
in dem das Telefon stand. McMeyer hatte einige interessante Neuigkeiten
für ihn: "Hör zu, Eugene, im Blut von O'Connor wurde eine
große Menge eines starken Medikaments gefunden, das in dieser Dosis
Halluzinationen hervorruft. Dieses Mittel fanden wir auch im Wasserglas
vor. Und noch etwas: O'Connor hatte keinen Tropfen Alkohol getrunken.
Eugene, du hattest recht: Es war Mord. Ich will nicht wissen, in welchem
Zustand er aus dem Fenster gefallen ist, aber ich kann sagen: Es kann
sein, dass er echt dachte, er könne fliegen. Darauf hatte es jemand
angelegt." Parker war erfreut, das zu hören. Er fragte noch:
"Eine Frage zu der zerrissenen Kleidung von Elaine. Wo genau war
sie zerrissen?" McMeyer antwortete: "So ziemlich überall,
an der Bluse, am Reißverschluss der Hose und an den Hosenbeinen."
Parker lächelte: "Vielen Dank! Du hast mir sehr geholfen. Mit
etwas Glück kann ich den Täter bald überführen."
Am frühen Nachmittag besuchte Parker die Apotheke von Elgin. Er fragte
die Angestellten nach dem von McMeyer beschriebenen Medikament und einer
der Angestellten sagte: "Gestern Nachmittag ist ein Mann hergekommen
und hat genau dieses Medikament gekauft." Der Angestellte beschrieb
den Mann. Er hatte dichtes dunkles Haar, einen Dreitagebart und eine Brille.
Parker erfuhr außerdem, dass man für das Medikament ein Rezept
brauchte und dass der Mann ein solches vorgelegt hatte. Parker ließ
sich das Rezept geben.
Den Rest des Tages verbrachte Parker damit, zu telefonieren und sich in
den Jahrbüchern über die Lehrer zu informieren. Am Abend ging
er in den Gemeinschaftssaal und fand dort nur Anderson und Walker vor,
die dort über ihren Unterricht sprachen. Er fragte: "Was haben
Sie in ihrem damaligen Kurs gemacht, bevor Elaine verschwand?" Die
Lehrer wunderten sich etwas über die Frage, aber sie beantworteten
sie. Es begann Walker: "Wir haben damals Fotografien gemacht."
Anderson machte weiter: "Ja, ich hatte das ja schon erwähnt.
Das hat den Kindern gefallen, vor allem den Mädchen. Sie kamen sich
vor wie kleine Models." Das reichte Parker schon. Er bedankte sich
bei den immer noch etwas verwunderten Lehrern und ging zu Bett. Das kurze
Verhör hatte ihm mehr gebracht, als die Lehrer vermuteten.
Am nächsten Morgen fuhr Parker erneut zur Apotheke. Dort spielte
er den Angestellten ein Tonband vor, auf dem zwei Männerstimmen zu
hören waren. Parker stellte den Angestellten eine Frage, die ihm
schnell beantwortet wurde. Hocherfreut fuhr er daraufhin zurück zum
Internat und widmete sich den Unterkünften der Lehrern. Nach einer
kurzen Suche fand er genau das, was er gesucht hatte. Er wusste jetzt,
wer der Täter war.
Am frühen Nachmittag sah Parker, wie seine Zielperson mit einem leicht
verstörten Gesicht aus ihrem Zimmer kam und in Richtung Parkplatz
ging. Parker folgte ihr unauffällig. Die Person fuhr mit ihrem Auto
weg. Parker tat es ihr gleich, natürlich mit großem Abstand.
Nach eine Viertelstunde war die Reise zu Ende. Sie waren an einem See
angelangt und die Person stieg aus und ging zum Wasser. Parker folgte
ihr immer noch. Als die Person am Ufer stehen blieb und ein kleines Fläschchen
aus der Tasche holte, wusste Parker, dass es nun an der Zeit war, einzugreifen.
Er rief: "Guten Tag, Mr. ... !"
Jonas
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