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Mord
im Hemingway-Internat -V-
Parker
traf Jack Walker im Lehrerzimmer: "Guten Tag, Mr. Walker. Ich bin
Inspektor Eugene Parker und versuche, etwas über den Leichenfund
herauszufinden. Haben Sie einen kurzen Moment Zeit?" Walker schüttelte
ihm die Hand und sagte: "Ja, ich denke, ein bisschen Zeit habe ich
schon. Das ist schon eine schlimme Sache. Homer hat mir schon davon erzählt,
wir sind gute Freunde. Sie haben ihm gesagt, dass die Leiche wahrscheinlich
Elaine Winter ist, nicht wahr? Sie war wirklich ein liebes Mädchen.
Viele fanden sie zwar damals ziemlich frech, aber ich kann das nicht bestätigen.
Ich fand sie immer ausgesprochen lieb." Parker erinnerte sich: "Ja,
das hat mir Mr. Anderson auch schon gesagt." "Tja, Homer und
Elaine verstanden sich wirklich sehr gut." Parker wollte noch mehr
wissen: "Sagen sie mal, wie war eigentlich das Verhältnis zwischen
Elaine Winter, Laura Fletcher und Jeremiah O'Connor?" Walker sah
kurz nach oben, dann antwortete er: "Die drei waren allerbeste Freunde.
Ich glaube auch, dass Laura den Nervenzusammenbruch bekam, weil Elaine
verschwand. Jeremiah war auch sehr bedrückt gewesen. Das war echt
eine schlimme Sache!" Parker stellte fest: "Sie und Mr. Anderson
leiteten damals den Kunst-Theater-Kurs. Das habe ich im Jahrbuch nachgelesen.
Die drei waren doch in diesem Kurs, nicht wahr?" Walker dachte kurz
nach und antwortete dann: "Ja, das stimmt. Die drei waren echt begabt."
Das reichte Parker vorerst. Er verabschiedete sich und sah auf die Uhr.
Um jetzt noch zu Laura Fletcher in die Nervenklinik zu fahren, war es
bereits zu spät. So beschloss er, noch etwas spazieren zu gehen.
Dabei dachte er noch einmal über die Ereignisse und Ungereimtheiten
nach. Danach ging er zu Bett.
Am nächsten Morgen erkundigte Parker sich bei Dexter, wo die Nervenklinik
lag, in der Laura Fletcher lebte. Der Inspektor fuhr dorthin und wurde
von einem Doktor empfangen. Dieser bat ihn, Laura Fletcher nicht zu sehr
anzustrengen und Parker versprach, behutsam zu sein.
Als Parker durch die Tür trat, saß Laura Fletcher am Fenster.
Parker ging langsam auf sie zu und fing an, mit ihr zu reden: "Miss
Fletcher, Laura Fletcher? Ich bin Eugene Parker von der Polizei. Darf
ich Ihnen ein paar Fragen stellen?" Laura Fletcher nickte mit dem
Kopf, sah ihn aber nicht an, sondern starrte weiter aus dem Fenster. Parker
fragte: "Wissen Sie, wer Elaine Winter ist?" Nachdem er das
gesagt hatte, drehte sich Laura schnell zu ihm um. Sie fing an zu weinen
und sagte nur: "Freundin. Weg. Einfach weg!" Parker hakte nach:
"Sagt Ihnen der Name Jeremiah O'Connor etwas?" Lauras Miene
lockerte sich etwas und sie fing an zu grinsen und lallte: "Freund.
Ganz lieber Freund. Nicht weg. Hier geblieben." Parker stellte nun
eine neue Frage: "Was ist damals passiert?" Diese Frage hätte
er besser nicht gestellt. Laura fing an zu schreien: "Der Drache.
Der Drache war es. Nein. Nicht! Bitte nicht!" In diesem Moment kam
der Doktor und eine andere Frau herein. Der Doktor fragte nervös:
"Was haben sie denn gemacht? Gehen sie jetzt bitte hinaus."
Parker verließ den Raum. Er hörte, wie die Frau versuchte,
Laura zu beruhigen, doch auch sie wurde hinausgeschickt. Nachdem sie die
Tür hinter sich zugemacht hatte, sagte Parker: "Guten Morgen.
Ich bin Inspektor Eugene Parker. Darf man fragen, wer Sie sind?"
Die Frau antwortete: "Mein Name ist Susan Calloway. Ich bin eine
Freundin von Laura." Parker fragte: "Dann wissen Sie ja sicher
von dem Verschwinden von Elaine Winter, oder?" Susan Calloway antwortete:
"Ja, wieso, gibt es Hinweise, wo sie steckt?"
"Hm, nun ja, ich darf noch nichts Näheres sagen. Aber ich würde
mich sehr freuen, wenn ich durch Sie noch weitere Hinweise erhielte."
"Ich war mit ihr im Kunst-Theater-Kurs", begann Susan Calloway
zu erzählen. Der Unterricht war schlimm. Das lag daran, dass wir
diesen Anderson als Lehrer hatten. Der hatte immer seine Lieblingsschüler,
vor allem Schülerinnen. Elaine gehörte dazu. Aber irgendwie
hat Elaine ihn richtig gehasst. Einmal habe ich nach einer Stunde gehört,
wie Herr Anderson ihr gedroht hat. Er hat so etwas gesagt, wie `wenn du
etwas verrätst, wirst du was erleben!´."
"Interessant. Wann hat das mit dem großen Hass denn angefangen?",
fragte Parker.
"Jetzt, wenn sie mich so fragen
ja, genau zu dem Zeitpunkt,
als es Laura schlechter ging."
"Danke, Sie haben mir sehr geholfen. Ach, Sie wissen auch nicht vielleicht,
wer
Laura in diesen Zustand gebracht hat?"
Susan Calloway wurde grimmig: "Das weiß niemand ganz genau.
Es ist irgendetwas Schreckliches passiert, über das sie mit niemandem
reden wollte. Alle sagten damals, dass es dieser Ausbrecher , ein Serienvergewaltiger,
gewesen war und dass er auch mit dem Verschwinden von Elaine Winter zu
tun hatte. Aber das glaube ich nicht. Jedenfalls, was Elaine betrifft.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Elaine von Anderson vergrault wurde.
Wir haben ja auch damals diesen Abschiedsbrief gefunden, in dem sie erklärt
hatte, sie wolle auswandern und ihr Glück als Schauspielerin versuchen.
Nur haben wir dann nie wieder von ihr gehört. Mehr weiß ich
nicht. Aber fragen sie doch mal Diana Cooper. Sie ist eine andere Freundin
von Laura und mir und war auch bei uns im Kurs. Mittlerweile hat sie eine
gutgehende Anwaltskanzlei und weiß immer bestens Bescheid über
die Vorgänge in unserer Stadt. Sie brauchen es in der Kanzlei aber
gar nicht erst versuchen. Ihr Sekretär ist eine guter Freund von
mir. Ich habe soeben noch mit ihm telefoniert und er erwähnte, dass
Diana nach Hause gefahren sei, weil sie dort mal wieder Akten vergessen
habe. Wissen Sie", fügte sie in vertraulichem Ton hinzu, "der
Arme muss so viel für sie mit arbeiten, dass er die Kanlzei auch
alleine leiten könnte, wenn er das Recht dazu hätte..."
So genau wollte Parker das gar nicht wissen. Er bedankte sich, fragte
nach der Adresse und fuhr sofort zu Diana Cooper, die unweit des Internats
wohnte.
Eine
mittelgroße schlanke Frau mit schwarzen Haaren und grünen Augen
öffnete auf sein Klingeln. "Frau Cooper?", fragte Parker.
Aus spitzem Mund erhielt er ein genervtes "Ja!" als Antwort.
"Frau Cooper, ich bin Inspektor Parker und würde Ihnen gerne
ein paar Fragen stellen. Haben Sie etwas Zeit?"
"Nur ein wenig," antwortete sie, immer noch mürrisch. "Sie
haben Glück, mich überhaupt zu Hause anzutreffen. Kommen Sie
kurz herein." Diana Cooper setzte sich an den Küchentisch und
der Inspektor nahm ebenfalls Platz.
"Nun, Frau Cooper, Sie gingen doch auf das Hemingway-Internat?"
"Ja, wieso?" Parker beobachtete, wie sie begann, nervös
mit einem ihrer vielen Ringe zu spielen.
"Nun, es geht um das Verschwinden ihrer ehemaligen Freundin Elaine
Winter. Ich komme gerade von einem Besuch bei Laura Fletcher. Sie war
jedoch nicht in der Lage, mir irgendetwas Brauchbares über die damaligen
Vorfälle zu berichten. Können Sie mir etwas von damals erzählen?"
"Äh, nicht viel, nachdem Elaine - Sie wissen, dass sie eine
gute Freundin nicht nur von Laura, sondern auch von mir war? - also, nachdem
Elaine abgehauen war, wurde Lauras Zustand noch schlimmer, als er sowieso
schon war. Aber warum fragen Sie mich das eigentlich?" Es war ihr
sichtlich unangenehm über ihre Schulzeit zu reden.
"Es gibt Hinweise über den Verbleib von Elaine", sagte
Parker ausweichend.
Diana Cooper war ziemlich überrascht.
"Was? Das gibt es doch nicht. Weiß Jeremiah schon davon? Wie
hat er reagiert? Er arbeitet doch jetzt als Lehrer im Internat."
"Ja, ich weiß. Er ist informiert", antwortete Parker knapp.
Jetzt kamen offensichtlich bei Diana Cooper all die schrecklichen Erinnerungen
von damals wieder hoch und sie erzählte dem Inspektor, wie schlimm
für sie alle das plötzliche Verwinden Dianas war, dass es aber
wohl ohne Frage am allerschlimmsten für Jeremiah gewesen war: "Jeremiah
hat damals erst Elaine und dann Laura verloren. Ich hatte immer das Gefühl,
er wüsste, was damals wirklich geschehen ist. Er war nämlich
sehr oft mit Elaine zusammen. Die beiden waren wie Bruder und Schwester."
Nachdem Parker das gehört hatte, war ihm klar, dass er unbedingt
noch einmal mit O'Connor sprechen musste, um den Fall aufzuklären.
Parker bedankte und verabschiedete sich und fuhr zum Internat zurück.
Dort angekommen
eilte ihm Direktor Dextor schon im Flur entgegen.
"Eugene, ich habe in Erwartung deiner Rückkehr die Zufahrtstraße
zu unserem Internat nicht aus den Augen gelassen. Hast du etwas herausfinden
können?"
"Noch nichts Genaues, John. Aber ich muss unbedingt noch einmal mit
Mister O´Connor sprechen."
"Oh, er hat vor etwa einer Stunde das Internat verlassen. Er hat
mir nicht mitgeteilt, wohin er wollte. Aber ich habe für 20.00 Uhr
eine Konferenz einberaumt. Dann wird er ja wohl wieder da sein."
"Hm, so werde ich derweil die Unterrichtsräume unter die Lupe
nehmen. Es ist vielleicht ganz günstig, wenn sich alle Lehrer im
Konferenzsaal befinden. So kann ich ungestört meine Untersuchungen
vornehmen. Mit Mister O´Connor kann ich dann auch morgen früh
noch sprechen. Hast du einen Generalschlüssel für mich, John?"
"Ja natürlich. Komm mit in mein Büro. Bevor du gehst, solltest
du unbedingt noch Mister McMeyer zurückrufen. Er hat schon mehrmals
versucht, dich hier zu erreichen." Beide setzten sich Richtung Büro
in Bewegung und da hörten sie auch schon, wie das Telefon klingelte.
"Das wird erneut McMeyer sein", sagte Dexter. "Nimm du
doch den Hörer ab."
Parker griff zum Telefon. Es war tatsächlich McMeyer. Parker erfuhr,
dass das Ergebnis des DNS-Testes vorlag. Der Test war eindeutig. Es handelte
sich bei der Leiche auf jeden Fall um Elaine Winter. Er hatte gerade aufgelegt,
als das Telefon erneut klingelte. Er nahm ab...
Jonas
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