Endlich war seine Nachhilfe in Latein vorbei. O'Connor musste sich unbedingt noch für die Konferenz am späten Nachmittag vorbereiten. Er packte seine Sachen ein und verließ als letzter den Klassenraum. Der Unterricht war relativ gut verlaufen. Er schloss den Klassenraum ab. Der Gang war leer. O'Connor wandte sich erst nach rechts, doch dann erblickte er den Hausmeister, Paul Potter, am Ende des Ganges und wandte sich nach links. Potter war ein kleiner, abgemagerter Mann, der mit dem Internat, wirklich das falsche Berufsumfeld gewählt hatte. Er hasste Kinder. Als O'Connor selbst noch Schüler war, hatte Potter schon diese Einstellung und war bei den Schülern regelrecht gefürchtet. Potter war ihm unheimlich. Früher war O'Connor ihm auf jede erdenkliche Weise aus dem Weg gegangen und das tat er heute auch noch. Als er den Gang entlang ging, begegnete ihm ein Mann in einem zerschlissenen, dunklen Mantel. "Guten Tag, Mr. O'Connor. Haben Sie kurz Zeit?" O'Connor blieb stehen und begann nachzudenken. War er vielleicht der Vater von einem seiner Schüler? "Natürlich. Worum geht es denn? Sind Sie der Vater eines Schülers?"
"Nein. Ich bin Inspektor Eugene Parker. Ich würde gerne mehr über den Leichenfund erfahren.", stellte der Inspektor sich vor. Na toll, Polizei, dachte O'Connor nur.
"Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Ich habe nur Kleinigkeiten von den Arbeitern aufgeschnappt. Wenn Sie mehr erfahren wollen, müssen Sie sich an den Direktor wenden." Er wollte schon an ihm vorbei gehen, da fiel ihm noch etwas Wichtiges ein. "Wissen sie denn schon, wer der oder die Unglückliche ist?" "Ganz sicher bin ich noch nicht, aber ich nehme an, dass es sich um die vor 15 Jahren verschwundene Elaine Winter handelt." O'Connor hatte fast gewusst, dass diese Antwort kommen würde, dennoch war er geschockt. Der Tod seiner Schwester kam ihm wieder in Erinnerung. Damals war die Polizei vollkommen unfähig gewesen, dass Verbrechen aufzuklären. Es kam ihm vor, als wäre er wieder acht Jahre alt, seine Eltern ständen vor ihm und erzählten ihm, dass Tamara, seine Schwester, nicht mehr lebt. "Oh, mein Gott!", murmelte er, "Das ist doch nicht möglich. Aber sie wollte doch ... mein Gott!" Er stockte. Würde die Polizei diesen Fall auch nicht auf klären können? Würde Sie ein zweites Mal versagen?
"Was wollte sie?", fragte ihn Parker und holte ihn damit aus seiner Gedankenwelt. Doch O'Connor ging an ihm vorbei. "Ich will jetzt alleine sein. Entschuldigen Sie mich.", sagte er noch ihm Weggehen. Parker rief ihm etwas nach, doch O'Connor hörte nicht hin. Noch einmal würde er nicht zusehen, wie die Polizei versagte. Er würde den Täter selbst finden und ihn endlich hinter Gitter bringen. Durch den Gang rufend wiederholte Parker seinen letzten Satz: "Mr. O´Connor, wenn Sie mir noch etwas zu sagen haben ...!" Doch O´Connor blickte noch nicht einmal zurück. Die Bilder von damals wurden wieder wach. Er dachte an den Tag, an dem Laura eingeliefert worden war.

Nina

 

zurück
weiter