Es war bereits später Nachmittag geworden und Jeremiah O'Connor musste noch immer die Arbeit für das Englischprojekt fertig stellen. Es hatte ihn beinahe die ganze Zeit nach der Schule beansprucht und dennoch war er kaum vorangekommen. Englisch war nicht seine Stärke. Er beschloss eine Pause zu machen und etwas spazieren zu gehen. Er war noch nicht lange unterwegs, als er plötzlich hörte, wie draußen ein Krankenwagen mit Sirenen vor der Schule anhielt. Neugierig geworden, was dort passiert war, rannte er zum Eingang der Schule. Als er ankam, sah er nur noch, wie zwei Sanitäter ein Mädchen auf einer Trage hinaus trugen. Er kam näher und erkannte schließlich das Mädchen. Es war Laura Fletscher. Ihr blondes Haar war vollkommen zerzaust. Sie schlug mit den Händen wild um sich und schrie. "Laura!", rief Jeremiah und rannte zu ihr. Laura verstummte für kurze Zeit, als sie ihn sah. Dann fing sie wieder an zu schreien, doch dieses Mal wandte sie sich an ihn.
"Der Drache. Der Drache ist gekommen. Er hat gebissen und getreten und geschlagen." Dann hielt sie ihren Arm. "Schau. Er hat mich gekratzt mit seinen Krallen." Ihr Arm war mit blauen Flecken übersät, die eine abstrakte Form hatten. Ihr Gesicht war vor Schmerz verzerrt, als sie ihn hob. Dann wurde sie in den Krankenwagen gebracht und Jeremiah blieb in der Schule zurück, hörte aber immer noch ihre Rufe.
"Der Drache. Der Drache." Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Meinte sie den "Hausdrachen" des Internats, den Hausmeister Paul Potter. Er stürmte los zum Büro des Hausmeisters. Er würde ihn zur Rede stellen. Als er dann in einen Gang einbog, stieß er mit seinem Kunstlehrer, Mr. Anderson, zusammen. Jeremiah verlor das Gleichgewicht und fiel hin.
"Vorsicht.", meinte Mr. Anderson lachend und half ihm wieder auf die Beine. "Warum rennst du denn so?"
"Laura.", keuchte Jeremiah und blickte auf. Er stockte.
"Was ist los, O'Connor?"
"Ihr Hemd." Jeremiah deutete auf seine Schulter. "Es hat einen Riss." Mr. Anderson blickte auf die Stelle, auf die Jeremiah gedeutet hatte. Er schien erschrocken zu sein. Unter dem Hemd war irgendeine Tätowierung zu sehen, die Jeremiah aber nicht genau erkennen konnte. Eine Schlange vielleicht. Aber mehr erstaunte ihn, dass sein Lehrer mit einem zerrissen Hemd herum lief. Er war eigentlich ein sehr ordnungsliebender Mensch.
"Ach, das.", sagte er, "Da habe ich mich etwas ungeschickt angestellt." Er zog das Hemd so, dass man die Tätowierung nicht mehr sehen konnte.
"Was ist denn mit Laura?", fragte er schließlich. Genau. Jeremiah war doch auf den Weg zum Hausmeister. Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und rannte weiter zum Hausmeisterbüro. Ohne zu klopfen riss er die Tür auf.
"Was haben Sie mit Laura gemacht?", schrie Jeremiah.
"Schrei hier nicht so rum! Ich habe gar nichts mit Laura gemacht. Los verschwinde."
Jeremiah ließ sich davon nicht beeindrucken. "Sagen Sie, was sie mit ihr gemacht haben."
"Gar nichts habe ich gemacht. Verschwinde oder ich rede ein ernstes Wort mit dem Direktor." Das hatte nun doch Wirkung auf ihn. Er verließ das Büro, knallte aber so heftig die Tür ins Schloss, dass sie beinahe aus den Angeln flog. Er würde schon noch heraus finden, wer Laura das angetan hatte. Und wenn es Potter war, dann würde er es verdammt noch mal beweisen.

Nina

 

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